Im Jahre 1875 wurde vom Reußenkoog zur Hamburger Hallig ein ca. sechs Kilometer langer Damm fertiggestellt. Danach verringerte sich die Strömung im Wattenmeer wesentlich und der Anwuchs des Vorlandes wurde erheblich gefördert. Pläne zur Eindeichung eines neuen Kooges entstanden. Doch der 1. Weltkrieg und die nachfolgende Zeit der Inflation ließen es nicht zu, diese umzusetzen.
1921 wirft Marx Wulff aus dem Cecilienkoog in der Gemeindevertreterversammlung die Frage auf - er ist zu der Zeit Vorsteher der Gemeinde Reußenköge - ob man sich nicht privat zur Deichung zusammenschließen sollte. Vom Staat sei keine Hilfe zu erwarten. Um Marx Wulff bildet sich bald eine Gruppe interessierter heimischer Bauern die gewillt ist, sich daran zu beteiligen. Doch sie erreicht es nicht, die Finanzierung zu sichern.
1922 gelingt es, den aus Klockries bei Niebüll stammenden Sönke Nissen für die Beteiligung an dem Bau des neuen Kooges zu gewinnen. Sönke Nissen hatte als Eisenbahn- Ingenieur im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika - dem heutigen Namibia - Diamanten gefunden und abgebaut und es dadurch zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht. Er bewohnte das von ihm erworbene Gut Glinde bei Hamburg und erfuhr durch seinen aus Nordfriesland stammenden Sekretär Christian Paulsen von dem Projekt. Im Oktober 1923 wurde eine Deichbaugenossenschaft gegründet. Sönke Nissen war leider zwischenzeitlich verstorben, doch die Testamentsvollstrecker - vor allen Dingen Christian Paulsen - waren ermächtigt, dessen finanzielle Mittel weiterhin in das Projekt einzubringen. Genossen wurden so 18 hiesige Bauern und der Sönke-Nissen-Nachlass. Am 4. April 1924 erfolgte der erste Spatenstich. Während des Baus kam es vor allen Dingen durch Sackungen im Baugrund und durch wirtschaftliche Turbulenzen der am Bau beteiligten Firmen zu erheblichen Problemen. Im Dezember 1925 wurde der Deich geschlossen und 1926 auf die erforderliche Höhe gebracht. Ein neuer Koog war trotz aller Schwierigkeiten auf Initiative hiesiger Menschen entstanden und erhielt den Namen „Sönke-Nissen-Koog“.
Die Zahlungsfähigkeit der Deichbaugenossen war durch die entstandene Mehrkosten teilweise dramatisch strapaziert. Um trotzdem die zur Bewirtschaftung erforderlichen Gebäude errichten zu können, einigte man sich auf einen gemeinsamen Architekten. Galt es doch, preiswert zu bauen, leichte Baumaterialien zu nutzen und ausreichend Raum für die erwarteten Ernten zu schaffen.
Der für die Umsetzung der Heimatschutzarchitektur und für den Bau landwirtschaftlicher Gebäude bekannte Architekt Heinrich Stav aus Kiel wurde für das Projekt gewonnen. Nach seinen Plänen wurde nun gebaut. Durch eine einheitliche Grundform und den Einsatz einheitlicher Baumaterialien und Farben gelang es ihm, die für den "Sönke-Nissen-Koog" typischen weißen Höfe mit grünen Dächern zu errichten. Erst beim genauen Hinsehen fällt auf, dass die Gebäude in den Ausmaßen um ein vielfaches unterschiedlich sind. 2004 wurden 25 Gehöfte als Hauslandschaft in ihrer äußeren Erscheinung unter Denkmalschutz gestellt.
28 Höfe entstanden in dem ca. 1.200 Hektar großen Koog. Sieben von ihnen mit je ca. 50 Hektar für den Nissen-Nachlass entsprechend dem Einsatz seines Kapitals. Diese sind heute noch erkennbar durch die Namensgebung nach Bahnstationen in Süd-West-Afrika. Die Familie Nissen hat heute keinen Grundbesitz mehr im Sönke-Nissen-Koog.
Von diesen 28 Gehöften werden heute noch elf als eigenständige Vollerwerbsbetriebe bewirtschaftet. Und auf einem Hof findet eine stattliche Deichschäferei ausreichend Platz. Der fruchtbare Boden wird überwiegend mit Winterweizen, Wintergerste und Winterraps bestellt. Aber auch Zuckerrüben für Biogasanlagen haben wieder Eingang in der Fruchtfolge gefunden. Die Gebäude werden zur Schweinehaltung, als Lagerraum für Getreide und zur Unterbringung der Maschinen genutzt.
Auch die gewerbliche Nutzung hat Raum gegriffen. Hier sind eine Tischlerei, eine Handweberei und ein Planungsbüro für Erneuerbare Energien zu nennen. Zwei Getreidesilos mit Lagerhallen wurden in den Jahren 1959 und 1963 errichtet. Urlauber sind im Sönke-Nissen-Koog gerne gesehen. Sie finden auf einem voll bewirtschafteten Bauernhof und in weiteren Häusern qualitativ hochwertige Unterkunft.
An der Überfahrt zur Hamburger Hallig lädt das Amsinck-Haus seit 2004 ein. Besucher erhalten Informationen über die gesamte Region des Mittleren Nordfriesland vom Weltnaturerbe Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer bis zu den Dörfern der östlichen Geest. Aber auch kulturelle Veranstaltungen kommen nicht zu kurz.
Zahlreiche Windkraft- und Solaranlagen und eine Biogasanlage haben den Sönke-Nissen-Koog, wie auch die gesamte Gemeinde, verändert. Sie leisten einen erheblichen Beitrag, um die dringend erforderliche Energiewende in Deutschland voran zu bringen. Ein Beitrag dazu, um den Klimawandel Welt weit zu begrenzen. Dieses wissen die Bewohnerinnen und Bewohner des Sönke-Nissen-Kooges besonders zu schätzen. Denn ihr Koog hat nur eine Deichlinie und ist durch den Anstieg der Meere direkt betroffen.
Fotos: Silke Jockram, Levke Wittmaack